Früher begegneten mir in meinem Arbeits-Alltag Menschen, bei denen ich dachte: «Wow, was der sich alles erlauben kann!» Auch meine Klientinnen und Klienten berichten mir von Mitmenschen, die anscheinend mit einem enormen Selbstvertrauen durch die Gegend wandern, als könnte nichts und niemand sie erschüttern. Diese Menschen seien total überzeugt von sich selbst und wirken überheblich gegenüber anderen. Daneben fühle man sich oft klein und abgewertet.
Haben solche Ich-Bezogenen Menschen, die sich benehmen, als ob sie anderen überlegen wären, wirklich ein positives Selbstwertgefühl? Ich behaupte nein. Eine Person, die sich über andere stellt, leidet genauso an Minderwertigkeitsgefühlen wie jemand, bei dem die Unsicherheit deutlich sichtbar ist. Die Person versucht, ihre Minderwertigkeitsgefühle dadurch zu verstecken, dass sie andere klein macht. So kann sie ihre Position aufrechterhalten und sich stark fühlen. Ein Mensch hingegen, der sich selbst annimmt und als gleichwertig sieht, der akzeptiert auch die anderen, so wie sie sind.
Ich darf euch das mithilfe der Theorie aus Theo Schoenaker (Das Leben selbst gestalten) veranschaulichen. Wir alle haben Minderwertigkeitsgefühle, mal mehr, mal weniger und in unterschiedlichen Situationen. Es ist ein unangenehmes Gefühl der Unterlegenheit und Unzulänglichkeit. Das Minderwertigkeitsgefühl entsteht durch unsere eigene Bewertung, ist also rein subjektiv und hat nichts mit der Realität zu tun! Wir vergleichen uns mit anderen und haben das Gefühl, dass wir so wie wir sind, nicht schnell genug, nicht stark genug, nicht intelligent genug...zusammengefasst: nicht gut genug sind.
Der Mensch ist ein soziales Wesen und befindet sich grundsätzlich mit allen Mitmenschen auf der Ebene der Gleichwertigkeit (siehe Grafik). Nur auf dieser Ebene fühlen wir uns zugehörig und können zusammenarbeiten. Wenn wir nun durch unseren Vergleich denken, wir seien nicht gut genug, trennen wir uns innerlich von den anderen Menschen, die auf der Gleichwertigkeitsebene sind. Durch unsere negative Bewertung begeben wir uns in eine Minusposition und fühlen uns unterlegen (minderwertig).
Dieses Gefühl des unterlegen seins, erträgt kein Mensch auf Dauer. Er beginnt mit der Bewegung von unten nach oben. Entweder durch konstruktive Anstrengungen, um besser zu werden, was sozial verträglich ist. Oder aber durch Aggressivität, Wutanfälle, Abwertung der Anderen. Dieses zu Beginn beschriebene Verhalten stellt dann eine Überkompensation dar. Im Streben nach Gleichwertigkeit überschiesst der Mensch sozusagen. Aus dem Gefühl der Minderwertigkeit wird dann Geltungsstreben. Diese Bewegung in Richtung Überlegenheit führt nicht zur Lösung des eigentlichen Problems. Denn egal wieviel Macht, Bildung, Schönheit, Erfolg und Liebe dieser Mensch erlangen mag, es wird niemals ausreichen, um sich zugehörig zu fühlen.
Was können wir also tun bei Gefühlen der Unzulänglichkeit? Es hilft zu realisieren, dass man sich unsicher und minderwertig fühlt. Sich bewusstwerden, dass es nur unser Denken ist, das uns schlecht fühlen lässt. Wir können unser Denken überprüfen und liebevoller mit uns sein: «Bin ich vielleicht doch gut genug?» Wir dürfen lernen, uns mit unseren Fehlern anzunehmen, aber den Fokus immer wieder auf unsere Stärken zu legen. Indem wir uns auf unsere Fähigkeiten konzentrieren, anstatt auf unsere Mängel, kann das Positive wachsen.
In Liebe, eure Maja
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